Als Erster auf Europas Thron
1960 richtet die UEFA zum ersten Mal den Europapokal der Nationen aus. Ein Kunststück, denn der Widerstand bei vielen Fußballnationen ist groß. Trotzdem wird das Turnier mit Titelträger UdSSR zum Vorläufer der EM, wie wir sie heute kennen.
Zeitgeist
13 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hebt die UEFA einen neuen Wettbewerb aus der Taufe: den Europapokal der Nationen. Viele der großen Fußballnationen, darunter England, Italien und Deutschland, sagen desinteressiert ab. Mit Hängen, Würgen und einer Verlängerung der Meldefrist akquiriert die UEFA letztlich jedoch genug teilnehmende Nationalmannschaften. 17 an der Zahl. Der Wettbewerb wird im K.-o.-System ausgespielt. Bis zur Endrunde in Frankreich, die nur noch aus dem Halbfinale und dem Finale besteht, gibt es Hin- und Rückspiele. Im Viertelfinale kommt es zum Eklat, als Spaniens faschistischer Diktator Franco die mit Stars wie Alfredo Di Stéfano oder Luis Suárez gespickte spanische Nationalmannschaft am Madrider Flughafen daran hindert, zum Hinspiel gegen das Team der UdSSR, den amtierenden Olympiasieger, nach Moskau zu fliegen. Seit dem Spanischen Bürgerkrieg (1936 - 39) und Moskaus Unterstützung der linken Gegner Francos sind die beiden Länder verfeindet. Der Kalte Krieg trägt nicht zur Entspannung bei. Die UEFA versucht zu intervenieren und zu vermitteln: vergeblich. Spanien muss eine Strafe zahlen und die UdSSR zieht kampflos ins Halbfinale ein.
Ausgangslage
Olympiasieger UdSSR und die spanische Nationalmannschaft gelten als klare Titelfavoriten. Das Aufeinandertreffen im Viertelfinale wird daher im Vorfeld auch von vielen als vorgezogenes Finale angesehen. Nur: Es kommt nicht zum sportlichen Duell der beiden politischen Erzfeinde. Danach ist der Weg frei für die UdSSR.
Spielorte & Stadien
Die Endrunde findet ab dem Halbfinale in Frankreich statt, sowohl im Pariser Prinzenpark als auch im Stade Vélodrome in Marseille. Nach dem Ausscheiden des französischen Teams im Spiel gegen Jugoslawien sacken die Zuschauerzahlen massiv ab. Das Spiel um den dritten Platz in Marseille verfolgen nur noch knapp 10.000, das Finale in Paris gerade einmal 18.000 Fans.
Europameister
UdSSR. Am 10. Juli 1960 wird das Team um Torwartlegende Lew Jaschin in Paris nach einem umkämpften Spiel mit 2:1 in der Verlängerung gegen Jugoslawien erster Europameister. Matchwinner: Wiktor Ponedelnik, der sechs Minuten vor Schluss den entscheidenden Treffer für die UdSSR erzielt.
Torjäger
Bei der kurzen Endrunde gab es fünf Spieler, die doppelt trafen – darunter die beiden russischen Europameister Walentin Iwanow und Wiktor Ponedelnik. Wenn man auch das Achtel- und Viertelfinalspiele einbezieht, teilen sich der Tscheche Titus Bubernik und die beiden Franzosen Jus Fontaine und Jean Vincent mit jeweils fünf Treffern die Torjägerkrone.
Star des Turniers
Wiktor Ponedelnik (UdSSR). Der 23-jährige offensive Mittelfeldspieler aus Rostow avanciert sowohl zum Newcomer als auch zum Star des Turniers. Nur wenige Monate vor der EM hatte er zum ersten Mal für die UdSSR gespielt. Dank seines späten Treffers in der Verlängerung gegen Jugoslawien macht er sein Team zum ersten Europameister.
Top-Elf des Turniers
Tor: Lew Jaschin (UdSSR), Abwehr: Vladimir Durković (Jugoslawien), Igor Netto (UdSSR), Slawa Metreweli (UdSSR), Ladislav Novák (Tschechoslowakei), Mittelfeld: Josef Masopust (Tschechoslowakei). Milan Galić (Jugoslawien), Walentin Iwanow (UdSSR), Wiktor Ponedelnik (UdSSR), Sturm: Dragoslav Šekularac (Jugoslawien), Bora Kostić (Jugoslawien)