Ostdeutsche Legenden der 2000er
Deutschland ist seit 30 Jahren wiedervereinigt, davon profitiert auch die Nationalmannschaft. In einer dreiteiligen Reihe stellen wir großartige Spieler aus dem Osten der Bundesrepublik vor. Jetzt: Die Stars der 2000er-Jahre.
Die deutsche Einheit feiert ihren zehnten Geburtstag, die Republik mit ihren Bürgerinnen und Bürgern wächst immer mehr zusammen. Nicht alles läuft dabei reibungslos, das gilt auch für die Nationalmannschaften der frühen Nullerjahre. In diesem Jahrzehnt reicht es aber immerhin für eine Final-Teilnahme bei der WM in Südkorea/Japan und einen dritten Platz bei der WM im eigenen Land. Eine wichtige Rolle spielt dabei Michael Ballack. Neben ihm überzeugen aber noch weitere Spieler, die ihre Wurzeln im Osten des Landes haben.
Der Capitano: Michael Ballack
Was wäre Fußball-Deutschland ohne Michael Ballack? Der gebürtige Sachse ist mit Abstand einer der dominierenden Spieler der 2000er-Jahre. Könnte man sich einen perfekten Fußballer basteln, würde er Michael Ballack mindestens ähneln. Der Chemnitzer schießt scharf mit beiden Füßen, ist Freistoßspezialist, Ballverteiler, Kopfballgigant und Abräumer im Mittelfeld. Angesichts seiner Dominanz liest sich seine Titelsammlung fast bescheiden: Viermal Deutscher Meister und dreimal Pokalsieger mit Bayern München, dreimal FA-Cup-Sieger und einmal englischer Meister mit dem FC Chelsea. Aber Ballack ist eben auch Teil der tragischen „Vizekusen“-Mannschaft, die 2002 in DFB-Pokal, Meisterschaft und Champions League Zweiter wird. Zudem scheitert das von Ballack angeführte Nationalteam 2002 im WM-Finale an Brasilien. Trotzdem: Der „Capitano“ ist einer der ganz Großen des deutschen Fußballs.
Der weiße Brasilianer: Bernd Schneider
Bei Carl Zeiss Jena ausgebildet, kommt Bernd Schneider über Eintracht Frankfurt zu Bayer Leverkusen und wird zur Legende – auch wenn er nie einen Titel gewinnt. „Schnix“, wie ihn seine Mitspieler schon in Jena nennen, ist wahrscheinlich der technisch beschlagenste Fußballer seiner Generation. Weil sein brasilianischer Mitspieler Emerson diesen Spitznamen aber nicht aussprechen kann, nennt er ihn den „weißen Brasilianer“. Im WM-Finale 2002 gegen die echten Brasilianer zeigt Schneider warum. Es ist eines der besten Spiele seiner Karriere. Zum Weltmeistertitel reicht es zwar nicht, aber fortan kennt jeder den „weißen Brasilianer“ aus Deutschland. Bernd Schneider ist Kult.
Der Sturmtank: Carsten Jancker
Über die Jugendschule des FC Hansa Rostock gelangt Carsten Jancker zum 1. FC Köln in die Bundesliga. Der Durchbruch im Profifußball gelingt ihm aber erst bei Rapid Wien, von dort aus wechselt er an die Säbener Straße. Beim FC Bayern reift er zum Nationalspieler. Jancker netzt nicht nur regelmäßig ein, sondern auch spektakulär. Vor allem aber verschafft sich der 1,93-Meter-Hüne Respekt bei den Abwehrspielern. Einmal trifft er leider nur fast: In der 84. Minute des legendären Champions-League-Finales 1999 gegen Manchester United geht sein Fallrückzieher nur an die Latte. Dafür treffen die Engländer zweimal in der Nachspielzeit. „Das Spiel hat mich jahrelang verfolgt“, sagt er später. 2001 besteigt er mit dem FC Bayern schließlich doch noch den europäischen Fußballthron.
Der Abräumer: Jens Jeremies
Jens Jeremies aus Görlitz ist ein Unikat. Der Abwehrspieler mit den langen schwarzen Haaren ist für seine Zweikampfhärte berühmt-berüchtigt. Häufigste Beschäftigung auf dem Platz: grätschen. „Sein Anblick allein tat den gegnerischen Stürmern schon weh“, erzählt Bayerns damaliger Goalgetter Roy Makaay, der sich selbst nach so manchem Trainingsduell mit „Jerry“ auf dem Boden wiederfindet. Aber Jeremies hat auch einen trockenen Humor. Am Morgen nach einem Patzer von Oliver Kahn gegen Real Madrid ist die Stimmung am Tiefpunkt. „Bis Jens Oli einen Ball zuwarf und der ihn fing. Jens kommentierte das trocken: ‚Na also, er kann es noch.‘ Und wir schmissen uns weg“, erinnert sich Makaay. Nach 344 Profispielen inklusive 91 Gelber Karten und fünf Platzverweisen ist Schluss: Mit nur 32 Jahren beendet er als Champions-League-Sieger und Vizeweltmeister seine Karriere. Sein Körper ist nach unzähligen Zweikämpfen müde geworden.
Der Schöne: Clemens Fritz
In Erfurt geboren und fußballerisch groß geworden, zieht er mit seinem Kumpel und Mitspieler Marco Engelhardt (später ebenfalls Nationalspieler) in die weite Fußballwelt hinaus. Bei Bayer Leverkusen stellt Trainer Klaus Augenthaler die entscheidende Weiche für Fritz’ spätere Karriere: Aus dem guten Stürmer formt er einen noch besseren rechten Außenverteidiger. Die sind schon damals rar gesät in der Bundesliga – und so wechselt Fritz zum Spitzenklub Werder Bremen. In den goldenen Bremer Champions-League-Jahren kickt er neben Größen wie Ailton, Claudio Pizarro, Johan Micoud, Per Mertesacker, Naldo, Diego oder Mesut Özil. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere kommt er von 2006 bis 2008 auf 22 Spiele für das DFB-Team und wird Vize-Europameister. Auch DFB-Pokalsieger darf sich Fritz nennen. Einen anderen Titel trägt er eher inoffiziell: 2010 kürt ihn Miss Germany zum „schönsten Bundesligaspieler“.