Italia fantastica
Ab 1968 heißt die Europameisterschaft auch offiziell so. Zum ersten Mal sind alle nationalen Fußballverbände vertreten. Die Qualifikation wird länger, die Endrunde bleibt weiterhin kurz und knackig. Gastgeber Italien holt den Titel.
Zeitgeist
Mit der dritten Auflage des Wettbewerbs wird aus dem Europapokal der Nationen offiziell die Europameisterschaft. Zum ersten Mal sind alle großen Fußballnationen vertreten. Daraus ergibt sich eine Neuerung für die Qualifikation: Die 31 teilnehmenden Teams werden in acht Gruppen aufgeteilt. Der jeweilige Sieger qualifiziert sich für das Viertelfinale, das, wie die Gruppenphase weiterhin, ein Hin- und Rückspiel umfasst. Los geht es im Herbst 1966. Die offizielle Endrunde beginnt wie bei den beiden vorigen Turnieren erst ab dem Halbfinale und dauert eine knappe Woche. Mit dabei: Gastgeber Italien, Jugoslawien, die UdSSR und Weltmeister England. Während die 68er-Kulturrevolution in Europa in vollem Gange ist, unternimmt die UEFA angesichts der zahlreichen politischen und sozialen Kämpfe ihr Bestes, den Wettbewerb als ein Politik transzendierendes Stück europäischer Sinnstiftung in Stellung zu bringen. Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland – immerhin amtierender Vizeweltmeister – scheitert in der Qualifikation kläglich an Albanien. Das 0:0 geht als „Schande von Tirana“ in die Geschichtsbücher ein. Gastgeber Italien wird schließlich in einem denkwürdigen Turnier voller einmaliger Entscheidungen (ein Münzwurf, der das Halbfinale entscheidet, ein wiederholtes Finale) Europameister.
Ausgangslage
England ist zum ersten Mal dabei und reist als Weltmeister an. Damit ist das Team um Bobby Charlton, Bobby Moore und Geoff Hurst als einer der heiß gehandelten Titelfavoriten gesetzt. Das Team der Sowjetunion befindet sich zwar im Umbruch, der zweite Titel wird ihnen aber dennoch zugetraut.
Spielorte & Stadien
Die beiden Halbfinalspiele finden in Florenz (Stadio Artemio Franchi) und Neapel (Stadio San Paolo), das Spiel um Platz drei sowie die beiden Finalspiele im Olympiastadion in Rom statt. Das Publikumsinteresse ist auch bei den Duellen ohne italienische Beteiligung verhältnismäßig groß. Das Halbfinale zwischen England und Jugoslawien verfolgen knapp 22.000 Fans im Stadion, das Spiel um Platz drei zwischen England und der Sowjetunion sogar 68.000. Kurioserweise kühlt sich das Interesse vor dem entscheidenden Wiederholungsspiel des Finales deutlich ab. Und so gewinnt Italien seine erste Europameisterschaft vor 30.000 Zuschauern – in einem halbleeren Olympiastadion. Zwei Tage zuvor, bei dem ersten Aufeinandertreffen Italiens und Jugoslawiens, sind es noch fast 70.000.
Kuriosität des Turniers
Das Halbfinale zwischen Italien und der Sowjetunion endet nach 120 Minuten torlos. Da es noch kein Elfmeterschießen gibt, kommt es zu einer bis heute einmaligen Entscheidungsfindung: Der Sieger wird vom deutschen Schiedsrichter Kurt Tschenscher in der Kabine und in Anwesenheit der Verbandspräsidenten Italiens und der UdSSR per Münzwurf entschieden. Die beiden Mannschaften – und die Zuschauer im Stadion – warten derweil auf dem Feld auf die Entscheidung.
Europameister
Italien. Der Gastgeber muss für den Gewinn des ersten europäischen Titels in die Verlängerung. Im doppelten Sinne. Denn da im Finale nach 120 Minuten kein Sieger feststeht und es noch kein Elfmeterschießen gibt, wird kurzerhand ein Wiederholungsspiel angesetzt. Endstand: 2:0 für Italien.
Torjäger
Jugoslawiens Dragan Džajić erzielt in der Endrunde als Einziger zwei Treffer. Wenn man die Qualifikation mit einrechnet, ist Italiens Luigi Riva mit sieben Toren aber treffsicherster Spieler.
Star des Turniers
Dino Zoff (Italien). Nach nur vier Partien im Dress der italienischen Nationalmannschaft wird Dino Zoff im Juni 1968 Europameister. Der Beginn der langen Karriere von Dino Nazionale – einem der besten Torhüter der Fußballgeschichte.
Top-Elf des Turniers
Tor: Dino Zoff (Italien), Abwehr: Giacinto Facchetti (Italien), Mirsad Fazlagić (Jugoslawien), Bobby Moore (England), Albert Schesternjow (UdSSR), Mittelfeld: Sandro Mazzola (Italien), Ivica Osim (Jugoslawien), Sturm: Angelo Domenghini (Italien), Geoff Hurst (England), Luigi Riva (Italien), Dragan Džajić (Jugoslawien)