Torschuss von Deutschland

Deutschlands beste Mannschaft?

Mythos „Jahrhundert-Elf": Das DFB-Team um Günter Netzer, Gerd Müller und Franz Beckenbauer gilt als eine der besten deutschen Nationalmannschaften aller Zeiten. Die Europameisterschaft 1972 war ihr großes Turnier.

Zeitgeist

Im Vergleich zu den Olympischen Sommerspielen, die immer rund einen Monat nach dem EM-Finale starten, fristet die Europameisterschaft 1972 ein mediales Nischendasein. Dass die Endrunde weiterhin erst mit dem Halbfinale beginnt, tut ein Übriges. Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland qualifiziert sich zum ersten Mal für die Endrunde. Mit England und Titelverteidiger Italien sind im Viertelfinale schon zwei Favoriten ausgeschieden. Im Halbfinale stehen sich die Sowjetunion und Ungarn sowie Gastgeber Belgien und Deutschland gegenüber. Abseits des Fußballplatzes ist Europa in Aufruhr: Willi Brandts Ostpolitik und das gescheiterte Misstrauensvotum gegen den deutschen Kanzler beschäftigen die Menschen. Auf dem Kontinent formieren sich terroristische und separatistische Gruppen und treten mit Anschlägen in Aktion. Dennoch rollt der Ball. Die Sowjetunion erreicht im vierten EM-Turnier zum dritten Mal das Finale. Aber gegen die favorisierte deutsche „Jahrhundert-Elf“ ist im Brüsseler Heysel-Stadion kein Kraut gewachsen. Beckenbauer und Co. setzen sich souverän durch und machen die Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal zum Europameister.

Ausgangslage

Die Bundesrepublik Deutschland erreicht als amtierender WM-Dritter zum ersten Mal die Endrunde der Europameisterschaft. Aufgrund der überzeugenden Qualifikation werden ihr durchaus Siegchancen beigemessen. Nachdem das deutsche Team die Engländer im Viertelfinale ausgeschaltet hat, bleiben noch EM-Schwergewicht Sowjetunion und Gastgeber Belgien, die im Viertelfinale Titelverteidiger Italien geschlagen haben, als Favoriten auf den Sieg.

Spielorte & Stadien

Nach der Halbfinal-Qualifikation des belgischen Teams erhalten die sogenannten „Roten Teufel“ den Zuschlag für die Austragung der Endrunde. Die Halbfinals finden in Antwerpen (Stadion Bosuil-Deurne) und Anderlecht (Stade Émile Versé) statt, das Spiel um Platz drei in Lüttich (Stade de Sciessin), das Finale im Brüsseler Heysel-Stadion.

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Europameister

Zum ersten Mal qualifiziert sich die Bundesrepublik Deutschland für die Endrunde – und es gelingt gleich der große Wurf. Für viele ist das Team um Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Gerd Müller bis heute die beste deutsche Nationalmannschaft, die es je gegeben hat.

Torjäger

Gerd Müller, der spätere „Bomber der Nation“, ist der einzige Spieler, der in der Endrunde mehr als einmal trifft. Mit vier Toren wird er nicht nur Torschützenkönig der Endrunde, auch im gesamten Wettbewerb (inklusive Qualifikation) ragt der Münchener mit elf Treffern deutlich heraus. 

Star des Turniers

Günter Netzer (BR Deutschland). Die Europameisterschaft 1972 ist sein Turnier. Schon in der Qualifikation hat er als kongenialer Spielmacher legendäre Auftritte. Unvergessen der 3:1 Auswärtssieg gegen Erzrivalen England im Londoner Wembley-Stadion im Viertelfinale, mit Chefstratege Netzer im Mittelfeld. Für den Gladbacher ist das Turnier der Höhepunkt seiner Nationalmannschaftskarriere.

Top-Elf des Turniers

Tor: Jewgeni Wassiljewitsch Rudakow (UdSSR), Abwehr: Revaz Dzodzuashvili (UdSSR), Murtas Churzilawa (UdSSR), Franz Beckenbauer (BR Deutschland), Paul Breitner (BR Deutschland). Mittelfeld: Uli Hoeneß (BR Deutschland), Günter Netzer (BR Deutschland), Herbert Wimmer (BR Deutschland), Sturm: Jupp Heynckes (BR Deutschland), Raoul Lambert (Belgien), Gerd Müller (BR Deutschland)

Weitere EURO Champs

Italia fantastica

Ab 1968 heißt die Europameisterschaft auch offiziell so. Zum ersten Mal sind alle nationalen Fußballverbände vertreten. Die Qualifikation wird länger, die Endrunde bleibt weiterhin kurz und knackig. Gastgeber Italien holt den Titel.

Titel mit Verspätung

Der Europapokal der Nationen geht 1964 in die zweite Runde. Dieses Mal mit deutlich gestiegenem Interesse der nationalen Fußballverbände. Spanien gewinnt die Neuauflage des Turniers, das sowohl bei Fans und Verbänden merklich an Prestige gewinnt.

Als Erster auf Europas Thron

1960 richtet die UEFA zum ersten Mal den Europapokal der Nationen aus. Ein Kunststück, denn der Widerstand bei vielen Fußballnationen ist groß. Trotzdem wird das Turnier mit Titelträger UdSSR zum Vorläufer der EM, wie wir sie heute kennen.