Gerd Störzer
Gerd Störzer hat viel erlebt. Er war ein schlampiges Genie am Ball, der legendäre „HSV-Killer“ und über 30 Jahre lang Lehrer für Sport und Deutsch. In einem Punkt aber ist sich der Mann treu geblieben, der mit seinen zwei Toren gegen den Hamburger SV für die erste große Sensation der jüngeren Pokal-Geschichte sorgte: Er war und ist Team-Spieler – egal, ob sein Team Mannschaft oder Schulklasse heißt. Dass er im Oktober 1974 nach dem 2:1 seines VfB Eppingen gegen den Bundesliga-Tabellenführer den martialischen Titel „HSV-Killer“ verpasst bekam, behagte dem damaligen Lehramtsstudenten schon aus stilistischen Gründen nicht. Doch weit schlimmer findet Störzer noch heute, „dass derjenige, der die Tore schießt, auf einen hohen Sockel gestellt wird und die anderen links liegen bleiben“.
Tabellenführer-Schreck Störzer
Zwar hatte Störzer beide Tore gegen den HSV mit spektakulären Alleingängen über den halben Platz erzielt, er selbst kann sich an ihre Entstehung aber nur erinnern, „weil ich sie mit dem schwachen rechten Fuß geschossen habe“. Stattdessen hebt er die Leistung von Torhüter Volker Gebhard hervor: „Er war überragend. Ohne ihn hätten meine Tore nicht viel genützt.“ Die Eppinger waren keineswegs demütig in die Zweitrunden-Partie gegangen. Schließlich hatten sie in der ersten Runde durch zwei Störzer-Tore bereits den Tabellenführer der zweiten Liga Süd mit 2:1 überrumpelt. Während die Außenseiter in der Kabine witzelten, wer von den Spielern wohl anschließend ins Sportstudio müssen würde, hätte der HSV also gewarnt sein müssen.
Feier ohne Held
Doch die Herangehensweise der Hanseaten habe vom Anpfiff weg nicht gestimmt, mutmaßt Störzer, „und die Einstellung während des Spiels zu verändern, ist immer schwierig“. Der HSV rannte nach dem Rückstand immerhin verbissen an, und Störzer glaubt: „Wenn es Verlängerung gegeben hätte, wären wir vermutlich als Verlierer vom Platz gegangen.“ Es blieb jedoch beim 2:1 – und Störzer durfte ins ZDF-Sportstudio. Dabei wäre er an diesem fußball-historischen Abend lieber in Eppingen geblieben, um sie Sensation mit seinen Mannschaftskameraden zu feiern.
Störzer tadelt Störzer
Dass der begabte Linksfuß überhaupt in Eppingen bei einem Amateur-Klub spielte, verdankte der Verein Störzers Schludrigkeit. Wenn es darum geht, warum aus dem feinen Techniker kein Bundesliga-Spieler wurde, fühlt man sich für einen kurzen Moment wie beim Elternsprechtag in der Schule. Denn der heutige Störzer spricht über den jungen Störzer wie über einen seinen Schüler. „Mir hat ein bisschen der Ehrgeiz gefehlt. Wenn es bei mir nicht so gut gelaufen ist, habe ich relativ schnell resigniert“, sagt er, und fügt hinzu: „Das war neben Verletzungen wohl letztlich ausschlaggebend dafür, dass ich es bei 1860 nicht geschafft habe.“ Bei den Münchner Löwen hatte er sich 1971 eine Saison lang als Vertragsamateur versucht, es aber lediglich auf sieben Einsätze gebracht und das Experiment Berufsfußball deshalb abgebrochen.
Vom Mannschaftssport ins Klassenzimmer
Störzer bedauert die Entwicklung jedoch nicht. „Dieses Negativ-Erlebnis mit 22 war für mich gut, weil ich begriffen habe, dass es im Fußball auch nach unten gehen kann“, sagt er. Er wechselte nach Eppingen, beendete sein Studium und bilanziert heute, kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben: „Dieser Weg war für mich rückblickend der bessere.“ Seine Schüler wissen erst, mit wem sie es zu tun haben, wenn sie von ihren Großeltern einen Tipp bekommen. „Ich mache damit keine Werbung“, sagt Störzer lachend. Aus seiner aktiven Zeit hat er für sich etwas Wertvolleres als den Ruhm einer legendären Pokal-Saison mitgenommen. „Lehrer“, sagt er, „die aus einem Mannschaftssport kommen, haben aus meiner Erfahrung die wenigsten Probleme mit den Schülern.“