Wilhelm Nagel
Wilhelm Nagel hat kein einziges DFB-Pokalspiel absolviert. Trotzdem hat er seinen Platz auf dem DFB-Pokal Walk Of Fame. Am 30.März 2014 verstarb der Goldschmied im Alter von 87 Jahren. Obwohl er niemals wirklich Fußballer war, war er schon viel länger Bestandteil des DFB-Pokalfinals als jeder aktive Spieler, denn ohne ihn hätten all die zu Tränen gerührten Sieger seit 1965 keinen goldenen Pott mit weißen und grünen Steinen in den Abendhimmel gestemmt. Nagel war ein renommierter Gold- und Silberschmied, und der DFB-Pokal ist sein Werk. Er schuf es 1964 und fremdelte seitdem immer wieder mit der wilden Feierkultur rund um das Finale.
Vier Monate Reparatur nach dem Totalschaden
Im Grunde stammen der Fußball und Nagels Kunst aus unterschiedlichen Welten. Während der Pokal für die Gewinner von Berlin in erster Linie symbolischen Wert besitzt, war es für Nagel die Trophäe selbst, an der sein Herz hing. Er ist oft gefragt worden, wie es ihm gehe, wenn Fußball-Profis den Pokal im Jubeltaumel zum Sektbehälter umfunktionierten. Er wünschte sich hier und da mehr Respekt vor dem Pokal als Kunstwerk. Trotzdem reparierte er ihn stets klaglos, wenn er bei ihm zur Durchsicht eintraf, damit er den nächsten Titelträger in den Sockel gravierte. Als er nach den Schalker Feierlichkeiten 2002 den zerstörten Pokal in vier Monate langer Arbeit wieder zusammenflickte, konnte er eine gewisse Fassungslosigkeit allerdings nicht verhehlen. Er geriet darüber sogar öffentlich mit Rudi Assauer in Streit, der den knapp sechs Kilogramm schweren Pott in seiner damaligen Funktion als Manager des frisch gebackenen Pokalsiegers auf den Boden hatte fallen lassen. „Erinnern Sie mich nicht daran!“, sagte Nagel, und litt beim Gedanken an den windschiefen Sockel.
Nagel vermisste Respekt vor dem Werk
„Sonst fehlte mal ein Stein, der wurde ja auch mit in die Sauna oder ins Bett genommen, aber als ich ihn da sah, hab ich geheult, weil es einfach Leute gibt, die nicht wissen, was sie da in der Hand haben“, beschrieb Nagel in einem Radio-Interview seine Gefühle in der Rückschau. Trotzdem sitze er seitdem nicht jedes Jahr mit zitternden Knien vor dem Fernseher. „Der Pokal ist eine Jugendarbeit von mir, riesige Gefühlsregungen gibt es heute nicht mehr“, sagte er dem Magazin 11Freunde. Nagel war 38, als er den Pokal für den Deutschen Fußball-Bund fertigte, bereits 1949 hatte er als Student bei der Umsetzung der Meisterschale mitgewirkt.
„Achje!“
Sich im Glanz dieser beiden Werke zu sonnen hatte Nagel jedoch nie nötig, er betrachtet sie als zwei Stücke unter vielen. „Achje“, stöhnte er deshalb, wenn das Pokalfinale anstand und wieder mal jemand wissen wollte, wie das alles genau war mit dem Pokal. Es bereitete ihm keinen Kummer, dass der aktuelle DFB-Pokal bald ausgedient haben wird. Bis 2020 reicht der Platz für neue Titelträger auf dem Sockel noch aus – ein Umstand, der im Übrigen indirekt Assauer zu verdanken ist: Weil der Pokal damals komplett demoliert war, hatte Nagel gleich noch ein bisschen Platz geschaffen, indem er den Sockel erhöhte. Bis zuletzt konnte er von seinem Handwerk nicht lassen und war noch immer in seiner Werkstatt zugange, die Korrekturen am Pokal überließ Nagel längst Jüngeren. Mit dem Nachfolge-Pott wollte er nichts mehr zu tun haben: Er wünschte sich eine neue Trophäe. Als Chance für einen jungen Künstler.